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Infoheft 2010.2 |
Chile, Januar und Februar 2010
Wie immer gehörten meine Überlegungen, welche Ausrüstung für
die astronomischen Beobachtungen mitgenommen werden sollte, zu
den schwierigsten. Das Land erstreckt sich von Norden nach
Süden über 4500 Kilometer und wir waren in drei Gebieten mit
völlig unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen unterwegs.
Und ich mußte berücksichtigen, daß in der Zeit, die wir in der
Atacama verbringen würden, ausgerechnet Vollmond sein würde.
So entschied ich mich für eine minimale Ausrüstung: ein
10x50er Fernglas von Zeiß, eine Praktika mit Zubehör, ein
Photostativ für beide Geräte und die notwendigen Sternkarten.
Das sollte sich im Verlauf der kommenden drei Wochen als
richtig erweisen.
Jede Reise, besonders jene in ferne Länder, ist voller
Überraschungen. Hier soll und kann aber nicht über die ganze
Reise berichtet werden, auch nicht über die Eindrücke auf
politischem, geschichtlichem und ökonomischem Gebiet. Die
Reise begann in Santiago, von wo es, nach einer
Stadtbesichtigung und dem Besuch der Innenhöfe der Moncada, am
nächsten Tag per Flug in den Süden nach Punta Arenas ging. Da
standen wir nun an der Küste der berühmten Magellanischen
Straße, sahen Pinguine und blickten nach Feuerland hinüber.
Patagonien ist als windreich und rauh bekannt, aber wohl
weniger, daß man oft Mühe hat, sich nüchtern aufrecht auf
beiden Beinen zu halten. Im Nationalpark Torres del Paine
hatten wir enormes Glück mit dem Wetter, da uns relativ wenig
Regen das Wandern erschwerte und wir so die phantastische
Berglandschaft mit ihrem Blütenreichtum, die Seen und
Gletscher sehen und genießen konnten, was durchaus nicht
selbstverständlich ist. Der Himmel war voller riesiger
Cumuluswolken und täglich schwebte über dem Felsmassiv eine
gigantische Wolke in Form eines Diskus. Schon zuhause war es
mir klar, daß hier astronomische Himmelsbeobachtungen sehr
schwierig werden würden. An jedem Abend machte ein starker und
eiskalter Wind eine wackelfreie Beobachtung mit Hilfe des
Stativs unmöglich. So blieb nur das freihändige Sehen durch
das Fernglas. Unter diesen Bedingungen war es trotzdem ein
Erlebnis. Nach einem Flug entlang der Anden in Richtung Norden
landeten wir in Puerto Montt und verbrachten die nächste Woche
in dem Gebiet zwischen Puerto Varas und Pucon, umgeben von
vielen herrlichen Vulkanen und Seen. Im Gegensatz zu
Patagonien machte der chilenische Sommer hier seinem Namen
alle Ehre. Es herrschte bestes Badewetter an den Stränden und
die Sonne schien an einem wolkenlosen Himmel. Wir waren aber
vor allem zum Wandern hier. Leider kamen wir, trotz
zweimaligen Versuchs bei jeweils strahlendem Sonnenschein,
nicht auf den Gipfel des schneebedeckten Vulkans Villarica
hinauf. Dicke Schwefeldämpfe und zu starker Wind am Berghang
verhinderten, daß wir einen Blick in den Krater des aktiven
Vulkans werfen konnten. So mußten wir auf etwa halber Höhe
zurückkehren. Nachts sahen wir jedoch aus der Ferne die von
der Lava erleuchteten Dämpfe als eine rote Haube über dem
Krater. Da sich unser Quartier inmitten iner Kleinstadt mit
ihren vielen Lichtern befand, war an gute Himmelsbeobachtungen
des Nachts nicht zu denken. Einer der vielen Höhepunkte der
Reise, zu denen auch Besuche auf zwei Estancias gehörten, war
eine Tageswanderung im Nationalpark Huerquehue mit seinen
wunderbaren Araukarien.
Die Bodenstation
von Alma
Nach weiteren Wanderungen an verschneiten Vulkanhängen brachte
uns ein Flug nach Calama in die Atacama. Von San Pedro aus
erkundeten wir eine Woche die nähere Umgebung der
Atacama-Wüste. Von der Atacama als einem der wenigen Punkte
auf der Erde, an denen die besten Bedingungen für die
astronomische Himmelsbeobachtung im sichtbaren Lichtspektrum
herrschen und wo deshalb einige der größten Teleskope der Erde
stehen, weiß heute fast jeder. Eine der Überraschungen während
dieser Reise war es, daß wir unweit von San Pedro von fern die
ca. 2800 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Bodenstation
von ALMA (Atacama Large Millimeterr Arry), sehen konnten. ALMA
befindet sich auf der 5100 Meter hoch gelegenen Ebene Llano de
Chajnantor im Bau und wird nach seiner Fertigstellung im Jahre
2012 aus etwa 50 fahrbaren Radioteleskopen mit einem
Durchmesser von je 12 Metern bestehen. Es ist neben den
Teleskopen von La Silla und dem Very Large Teleskope (VLT) auf
dem Cerro Paranal der dritte Standort der ESO (European
Southern Observatory) in Chile.
Knapp nördlich des südlichen Wendekreises und auf einer Höhe
von etwa 2500 Metern gelegen, ist die ultraviolette Strahlung
der Sonne in San Pedro so stark, daß die Besucher des Museums
an einer „UV-Ampel“ auf die aktuelle Intensität hingewiesen
werden. In der Atacama wanderten wir im Tal des Todes und im
Tal des Mondes und sahen auch von oben in die Täler hinab.
Besonders beeindruckt waren wir von dem riesigen Salzsee Salar
de Atacama, in dessen Lagunen Flamingos und andere Wasservögel
leben. Dem Sonnenuntergang mit seinen prächtigen Himmelsfarben
lag ein eindrucksvoller Aufgang des Vollmondes gegenüber. In
diesen Minuten konnte ich nicht wissen, daß diese Ereignisse
die schönsten Himmelsbeobachtungen in der Atacama sein würden.
Mit dem Vollmond hatte ich mich abgefunden, aber daß sich
jeden Abend und des nachts der Himmel mit dichten Wolken
bedecken würde, war eine böse Überraschung. Von dem Phänomen
des bolivianischen Winters ("invierno boliviano"), der von
Dezember bis März in der Atacama und in den Anden herrscht,
hatte ich leider bis dahin keine Kenntnis. Irgendetwas
vergisst man immer zu recherchieren. Nur selten war das Kreuz
des Südens oder der Skorpion sichtbar, aber stets war das
unterwegs und so photographisch nicht festzuhalten. Von der
vulkanischen Aktivität in den Anden konnten wir uns auf dem
höchstgelegenen Geysirfeld der Welt „El Tatio“ überzeugen.
Während beim Nachtflug von Santiago nach Madrid die meisten
Passagiere schliefen, bot sich beim Blick durch das Fenster
ein unvergeßliches Schauspiel. In der Schwärze der Nacht
tobten unter uns und in der Ferne in den Wolken über den Anden
riesige Gewitter. Enorme Blitze und ebensolches Wetterleuchten
wurden gekrönt vom Kreuz des Südens und von Alpha und Beta
Centauri. Mit diesem Feuerwerk verabschiedeten sich die Anden
von uns.
Dietmar Scholz
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